»Was tut Ihr da?« »Ich lebe, Elora. Das erste Mal in den letzten zwei Jahren. Bitte nehmt mir das nicht weg.«
***
Eloras Ziehmutter ist nichts wichtiger, als ihre beiden Töchter Rosalie und Odetta reich zu verheiraten und die ganze Familie in den Adelsstand zu erheben. Dabei sieht sie in der Waise Elora, die am liebsten in ihrer Dachkammer Bücher bindet, ein einziges Ärgernis. Elora soll sich zurückhalten und keine Aufmerksamkeit auf sich lenken, während ihre Ziehmutter sich bei allen wichtigen Herrschaften einschmeichelt. Als Rosalie und Elora zufällig auf den Kronprinzen treffen, sieht ihre Mutter ihre Chance: Sie verbreitet das Gerücht, dass ihre Tochter Rosalie mit dem Prinzen gut bekannt ist und hofft, sich auf diese Weise den Weg an den Königshof zu erschleichen. Dabei ist es Elora, die sich heimlich mit dem Prinzen trifft, denn dieser hat eine große Sorge und ein Anliegen, bei dem nur Elora ihm helfen kann ...
***
Mutter stand schon in der Eingangshalle, als Elora das Haus betrat. Sicher hatte ihr jemand gemeldet, dass sie sich dem Gutshof näherte. »Es ist schon Nachmittag«, fing Mutter an. »Wo warst du schon wieder?« »Hat die Gesellschafterin der Herzogin nichts gesagt?« Elora fühlte das Buch unter ihrem Mantel. »Doch. Und ich finde es einfach unmöglich, dass du dich ihr in dieser Weise aufdrängen musstest. Hast du Geld angenommen für diesen Botengang?« »Nein. Sie hat mich gebeten und ich habe es getan. Ist das so unvorstellbar?« »Wie spricht sie denn mit dir? Lässt du dir das bieten, Mutter?« Rosalie war hinzugekommen und stellte sich jetzt neben ihre Mutter, als wäre sie Teil eines Richtergremiums. »Zeig mir die Tasche. Ich verlange zu wissen, was darin ist.« Mutter machte eine entsprechende Geste. »Das kann ich dir auch so sagen: Absolut gar nichts.« Elora nahm die Tasche, stellte sie auf den Kopf und schüttelte sie, zum Zeichen, dass sie leer war. »Ich habe zunehmend das Gefühl, dass du mir etwas verheimlichst. Warum bist du überhaupt mit der Gesellschafterin hinausgegangen?« »Sie hat doch selbst gesagt, dass sie frische Luft brauchte.« »Aber warum solltest du sie begleiten? Warum sollte sie Wert auf deine Anwesenheit legen?« »Mutter, habt ihr hier alle nichts Besseres zu tun, als mir Dinge nachzuweisen, mir hinterherzuspionieren? Warum kümmert ihr euch nicht einfach um die Herzogin und ihre Söhne, bis hier endlich alle reich verheiratet sind?« Elora sah es mit einer gewissen Genugtuung, dass Rosalies Mund aufklappte und sie vergaß, ihn wieder zu schließen. »Was erdreistest dich?« Mutters Stimme war kaum noch ein Flüstern und das war gefährlicher, als hätte sie geschrien. »Ihr könnt es euch vielleicht nicht vorstellen, aber es gibt Menschen, die schätzen meine Gesellschaft«, sagte Elora. »Ja, der Stallbursche vielleicht.« Rosalie lachte auf. »Schweig!«, fuhr Mutter sie an und Rosalie verstummte. »Elora, ich dulde dein Verhalten in diesem Haus nicht länger. Du weißt nicht, was du hier gerade anrichtest. Ab jetzt hältst du dich von allen gesellschaftlichen Ereignissen fern.« »Das tue ich mit Vergnügen, Mutter«, sagte Elora. »Du warst es doch, die mich angehalten hat, dabei zu sein. Du wolltest mich als Beweis deiner Großzügigkeit präsentieren, als armes Waisenkind, um das du dich kümmerst.« »Weil das meine Art ist, Geschöpfe wie dich nicht auf der Straße zurückzulassen.« Mutter verschränkte ihre Finger ineinander, das untrügliche Zeichen, dass dieses Gespräch beendet war. »Geh auf dein Zimmer und bleibe dort. Heute bekommst du nichts mehr zu essen. Und ich will nichts von dir hören.« Elora lief an ihr vorbei die Treppe hinauf. Sie hätte am liebsten noch etwas gesagt, aber jetzt galt es erst einmal, das Buch des Prinzen in Sicherheit zu bringen. Sie hörte Rosalie unten in der Halle lamentieren und Mutters Stimme, die sie zurechtwies.
»Was tut Ihr da?« »Ich lebe, Elora. Das erste Mal in den letzten zwei Jahren. Bitte nehmt mir das nicht weg.«
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Eloras Ziehmutter ist nichts wichtiger, als ihre beiden Töchter Rosalie und Odetta reich zu verheiraten und die ganze Familie in den Adelsstand zu erheben. Dabei sieht sie in der Waise Elora, die am liebsten in ihrer Dachkammer Bücher bindet, ein einziges Ärgernis. Elora soll sich zurückhalten und keine Aufmerksamkeit auf sich lenken, während ihre Ziehmutter sich bei allen wichtigen Herrschaften einschmeichelt. Als Rosalie und Elora zufällig auf den Kronprinzen treffen, sieht ihre Mutter ihre Chance: Sie verbreitet das Gerücht, dass ihre Tochter Rosalie mit dem Prinzen gut bekannt ist und hofft, sich auf diese Weise den Weg an den Königshof zu erschleichen. Dabei ist es Elora, die sich heimlich mit dem Prinzen trifft, denn dieser hat eine große Sorge und ein Anliegen, bei dem nur Elora ihm helfen kann ...
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Mutter stand schon in der Eingangshalle, als Elora das Haus betrat. Sicher hatte ihr jemand gemeldet, dass sie sich dem Gutshof näherte. »Es ist schon Nachmittag«, fing Mutter an. »Wo warst du schon wieder?« »Hat die Gesellschafterin der Herzogin nichts gesagt?« Elora fühlte das Buch unter ihrem Mantel. »Doch. Und ich finde es einfach unmöglich, dass du dich ihr in dieser Weise aufdrängen musstest. Hast du Geld angenommen für diesen Botengang?« »Nein. Sie hat mich gebeten und ich habe es getan. Ist das so unvorstellbar?« »Wie spricht sie denn mit dir? Lässt du dir das bieten, Mutter?« Rosalie war hinzugekommen und stellte sich jetzt neben ihre Mutter, als wäre sie Teil eines Richtergremiums. »Zeig mir die Tasche. Ich verlange zu wissen, was darin ist.« Mutter machte eine entsprechende Geste. »Das kann ich dir auch so sagen: Absolut gar nichts.« Elora nahm die Tasche, stellte sie auf den Kopf und schüttelte sie, zum Zeichen, dass sie leer war. »Ich habe zunehmend das Gefühl, dass du mir etwas verheimlichst. Warum bist du überhaupt mit der Gesellschafterin hinausgegangen?« »Sie hat doch selbst gesagt, dass sie frische Luft brauchte.« »Aber warum solltest du sie begleiten? Warum sollte sie Wert auf deine Anwesenheit legen?« »Mutter, habt ihr hier alle nichts Besseres zu tun, als mir Dinge nachzuweisen, mir hinterherzuspionieren? Warum kümmert ihr euch nicht einfach um die Herzogin und ihre Söhne, bis hier endlich alle reich verheiratet sind?« Elora sah es mit einer gewissen Genugtuung, dass Rosalies Mund aufklappte und sie vergaß, ihn wieder zu schließen. »Was erdreistest dich?« Mutters Stimme war kaum noch ein Flüstern und das war gefährlicher, als hätte sie geschrien. »Ihr könnt es euch vielleicht nicht vorstellen, aber es gibt Menschen, die schätzen meine Gesellschaft«, sagte Elora. »Ja, der Stallbursche vielleicht.« Rosalie lachte auf. »Schweig!«, fuhr Mutter sie an und Rosalie verstummte. »Elora, ich dulde dein Verhalten in diesem Haus nicht länger. Du weißt nicht, was du hier gerade anrichtest. Ab jetzt hältst du dich von allen gesellschaftlichen Ereignissen fern.« »Das tue ich mit Vergnügen, Mutter«, sagte Elora. »Du warst es doch, die mich angehalten hat, dabei zu sein. Du wolltest mich als Beweis deiner Großzügigkeit präsentieren, als armes Waisenkind, um das du dich kümmerst.« »Weil das meine Art ist, Geschöpfe wie dich nicht auf der Straße zurückzulassen.« Mutter verschränkte ihre Finger ineinander, das untrügliche Zeichen, dass dieses Gespräch beendet war. »Geh auf dein Zimmer und bleibe dort. Heute bekommst du nichts mehr zu essen. Und ich will nichts von dir hören.« Elora lief an ihr vorbei die Treppe hinauf. Sie hätte am liebsten noch etwas gesagt, aber jetzt galt es erst einmal, das Buch des Prinzen in Sicherheit zu bringen. Sie hörte Rosalie unten in der Halle lamentieren und Mutters Stimme, die sie zurechtwies.